„Das völlige Neudenken unserer Arbeitswelt“

17.09.2020

Thomas Reunert

10.09.2019

Iserlohn. Mit Sicherheit ist erst einmal mächtiges Staunen angesagt, wenn sich am heutigen Dienstag für die geladenen Gäste die Türen zum neuen Verwaltungsgebäude bei Medice öffnen.

Und es ist wahrscheinlich noch nicht einmal das Wasser und Zeitgeist versprühende Becken auf der linken Seite neben dem kleinen Working-Café allein, das überrascht. Und es sind auch nicht allein die üppigen, bequemen Sitzgruppen im Lounge-Bereich auf der rechten Seite der Halle, die auf den ersten Blick überzeugen. Es ist wahrscheinlich zunächst einmal diese helle Großzügigkeit in Quadratmetern und folgerichtig auch im Denken, die den Besucher vom ersten Moment an gefangen nimmt.

Überhaupt muss man ja erst unwillkürlich auch zuvor noch einmal einen gedanklichen Schritt zurückmachen. Bis noch vor wenigen Monaten war es so, dass man in der Regel über den Kuhloweg oberhalb der alten Verwaltung in Richtung Dröschede fuhr und von dort einen Blick auf das in den Jahren stetig wachsende Medice-Firmengelände werfen konnte. Neben den älteren Betriebsgebäuden waren inzwischen auch dort, wo einst die Winklers, Schockemöhles und Neckermänner der Reiterwelt mit ihren Pferden die umjubelten Dressur-Runden gedreht und tollkühnen Sprünge über Oxer und Co. vollführt hatten, immer neue Produktions- und Lagerstätten entstanden. Doch von dort oben konnte man wohl – so viel steht jetzt nach der Annäherung von der anderen Seite über die neue „Medice Allee“, die vom Hellweg abgeht, fest – gar nicht die tatsächlichen Dimensionen, die Weitläufigkeit und Multi-Funktionalität des Areals erfassen. Das kann man aber jetzt zum Beispiel, wenn man sich nun einmal in eines der großzügigen neuen Büros, einen der Konferenzräume oder auf den Balkon stellt und seinen Blick zu Tal gehen lässt.

Später im Gespräch mit der Heimatzeitung wird Dr. Richard Ammer gern der Vermutung des Journalisten zustimmen, dass es sich in so einer naturnahen Umgebung mit Weitblick auf den Iserlohner Wald bestens über eine natürliche Medizin für den Menschen nachdenken und entscheiden lässt. „Da sind wir in der Tat gegenüber einem Betrieb in einem rheinischen Schwerindustriegebiet schon im Vorteil.“

Als nächstes sind Schweden und England in der Pipeline

Wir führen also das Gespräch in der dritten Etage des neuen Gebäude in einem üppigen Konferenzraum, aus der Ferne grüßt der Danzturm, am Tisch grüßen Dr. Katja Pütter-Ammer und Dr. Richard Ammer, Firmeninhaber in der dritten Generation, kreativ und wissenschaftlich fundiert bestrebt, das Unternehmen auch in die Jahre 71 und folgende nach der Gründung im Jahre 1949 durch den Medice-Pionier Gustav Pütter zu führen. Mit zum Führungsgremium gehören inzwischen auch die Geschäftsführer Dr. Jürgen Kreimeyer und Eric Neyret. Die beiden Führungskräfte sieht Dr. Katja Pütter-Ammer auch als lebenden und anschaulichen Beweis dafür, dass es sich bei ihrem Hauptstandort in Iserlohn um eine höchst bemerkenswerte Arbeitsstätte handelt. „Die beiden kommen aus München und Heidelberg jede Woche nach Iserlohn und finden unseren Standort einfach ‚spitze‘, genießen die Natur für ihren Sport, und selbst die Ehefrauen fühlen sich von der Modeauswahl angezogen.“

So gut eingestimmt macht es den Geschäftsführern mit Sicherheit auch Freude, das Unternehmen bei seinem stetigen Umsatzanstieg von dereinst rund 60 Millionen auf aktuell etwa 235 Millionen Euro (Tendenz und Planzahlen weiter steigend) zu begleiten. Konzentriert auf Europa, Russland (neu und mit eigener Infra-Struktur) und Teile von Asien, ist Medice in rund 50 Märkten mit Partnern und zunehmend auch eigenen Niederlassungen aktiv. Ganz aktuell, so die Ammers, haben sie auch noch Markt-Auftritte in Schweden und in England in der Pipeline.

Fachlich ist das Unternehmen in drei Bereichen unterwegs. Da ist zum einen das so genannte OTC-Geschäft, also all das, was sich der Kunde in der Apotheke ohne Rezept kaufen kann. Eines der Erfolgs-Präparate ist da natürlich das bei vielen inzwischen schon im Kultstatus befindliche Erkältungsmittel „Meditonsin““. Insgesamt, so Dr. Richard Ammer, sei man da auf Platz 15 der international erfolgreichen Marken. Die Forschungs- und Vertriebsbereiche zwei und drei widmen sich den Problemstellungen im Bereich der Zentral-Nervösen Störungen und haben das ADHS bei Kindern als viel – aber in der verunsicherten Öffentlichkeit nicht immer nur fachlich ausgewogen – diskutierten Schwerpunkt und eben die medizinischen Heilfragen rund um die Niere. Ein Gebiet, bei dem es Medice inzwischen auf Platz fünf der Welt-Player-Liste gebracht hat. Dr. Katja Pütter-Ammer: „Grundsätzlich machen wir zwei Drittel unseres Umsatzes immer noch in Deutschland, aber das Ausland steigert sich immer mehr.“ Stolz ist man offensichtlich auch auf die inzwischen erreichte Mitarbeiterzahl. „Wir sind jetzt bei 633 insgesamt, 473 davon sind hier am Iserlohner Standort beschäftigt.“ Dr. Richard Ammer ergänzt: „Als meine Frau hier angefangen hat, hatte das ganze Unternehmen 200 Mitarbeiter. Das ist doch schon mal nicht schlecht, oder?“

Und es sei eben auch genau diese Personalentwicklung der letzten Jahre gewesen, die diesen Neubau am Iserlohner Standort notwendig gemacht hätte. Auch wenn man in München und Köln inzwischen bereits auch weitere Außenstellen unterhalte. „Was aber nicht heißt, dass wir mittelfristig oder langfristig aus Iserlohn herauswachsen werden und wollen. Wir haben nämlich auch für diesen Standort noch weitere Pläne“, sagt Dr. Katja Pütter-Ammer und erläutert das Vorhaben, eine hochmoderne Konfektionierungsanlage für Arzneimittel zu errichten und zudem einen neuen Versand zu bauen.

Wichtig ist regionale Fleisch aus tiergerechter Haltung

Plötzlich geht es bei dem Gespräch auch ums Essen, denn ein deutlicher Aus- und Umbau der Kantine steht ebenfalls an. Jetzt fallen Begriffe wie „Bio-Küche“, „frische Küche“, „Fleisch aus der Region und aus tiergerechter Haltung“. Auch auf diesem Gebiet möchten die Pütters offensichtlich Zeichen setzen. Wie auch beim Projekt des „Mitarbeiter-Fitness-Centers“, das ein eigenes kostenloses Fortbildungsprogramm anbietet. Für die körperliche Fitness habe man sich dafür die Kompetenz des heimischen Taekwando-Großmeisters und Medaillenmachers Carlos Esteves gesichert.

Und bei all diesen Aktionen und Angeboten gehe es natürlich – neben der Sicherstellung einer zufriedenen Belegschaft – auch um regelrechtes Arbeitgebermarketing. Dr. Richard Ammer: „Gute Mitarbeiter zu bekommen und zu halten, ist der eine Aspekt. Wir versuchen aber auch, als Familienbetrieb eine etwas andere Kultur zu leben, damit die Mitarbeiter auch gern vergessen, dass sie eben nicht in einer Metropole oder Weltstadt sind und sich trotzdem wohlfühlen.“ Und seine Frau Katja ergänzt: „Arbeitswelten werden ja auch immer mehr zu Lebenswelten. Bei dieser Vermischung muss es eben auch auf beiden und für beide Seiten Angebote geben.“

Aber auch das Vorhalten von Chillout-Zonen oder sonstigen Angeboten heiße ja lange nicht, dass „hier nur so eine Fun-Kultur herrscht. Hier wird schon sehr ernsthaft an der Sache gearbeitet“. Da drängt sich fast schon die Frage auf: „Wird hier noch gesiezt?“ Und die Antwort überrascht fast auch nicht wirklich. Dr. Katja Pütter: „Anfangs war es noch eine reine Sie-Kultur, inzwischen duzen sich in der Tat viele im Unternehmen.“

Zeit, um noch einmal auf den Neubau und seine gedanklichen Grundlagen und Perspektiven zurückzukommen. Natürlich habe man sich um ein möglichst lange tragfähiges Konzept bemüht, so Dr. Katja Pütter-Ammer, mit dem man erfolgreich auf die sich unweigerlich eintretenden Veränderungen am Markt und in der Welt nachhaltig und perspektivisch reagieren könne. „Dass es auch bei uns in unserer Branche noch zu einem großen Knall kommen wird, steht für uns alle außer Zweifel.“ Und das nicht nur, weil über kurz oder lang Routinetätigkeiten von Künstlicher Intelligenz abgelöst würden. All das führe aber zu Veränderungen, „die ein völliges Neudenken unserer Arbeitswelten erforderlich macht“. Sowohl auf struktureller Ebene als eben auch auf räumlicher. „Und genau das führt zu solchen neuen Arbeitswelten, wie wir sie hier für uns entwickelt habe.“ Offene Kommunikations-Plattformen, ein Arbeits-Café, die Gesprächs-Insel, der Schaukel-Sessel, die gemütliche Fleez-Sofa-Ecke, der geschützte PC-Platz. Und eben auch ein Kicker-Apparat für die kurzfristigen Momente der Entspannung oder vielleicht auch der Abreaktion. Und ansonsten erleben die rund 100 Führungskräfte und Mitarbeiter aller Ressorts bereits seit vier Monaten in allen Etagen auf rund 3000 Quadratmetern alle ökologisch und energetisch sinnvollen Versorgungslösungen, viel Licht und Luft für beste Gedanken und gute Gespräche.

Die drehen sich neben allen beruflichen Herausforderungen des Marktes und des Arbeitsplatzes vielleicht auch um den betriebseigenen Bienen-Honig (noch nicht ganz so viel) von den eigenen Apfelbäumchen. Oder eben auch um die weitere Verwirklichung des firmen-philosophischen Ansatzes „Caring with passion“, auf Pütter-Deutsch: „Kümmern mit Leidenschaft“.

Quelle:

Reunert, T. (2019, September 10). „Das völlige Neudenken unserer Arbeitswelt“. Abgerufen am 11. September 2019, von https://www.ikz-online.de/staedte/iserlohn/das-voellige-neudenken-unserer-arbeitswelt-id227038615.html