Corona: Eine Verengung des Angebotes?

09.03.2021

Von Thomas Reunert

Iserlohn. Selbsttests, Schnelltest, Tests für Laien, Test für Profis, Tests im Testzentrum, Tests auf dem heimischen Sofa – kaum ein Thema beschäftigt die Menschen aktuell mehr. Und dann sind da auch noch die Zweifel, ob es überhaupt genug gibt. Und von wem. Zeit und Grund für eine Nachfrage bei Dr. Richard Ammer, Mitglied der Geschäftsleitung im Hause Medice. Der Iserlohner Pharmahersteller ist von Anfang der Pandemie mit Tests auch innovativ und rührig auf dem Corona-Terrain unterwegs.

Herr Dr. Ammer, im Moment redet und wartet alle Welt auf den Start der Schnelltest-Kampagnen. Diese Tests sollen schließlich neben der Impfung die Lage im Infektions-Geschehen beziehungsweise auf dem Gebiet der Verbreitung entspannen und sehnlichst erhoffte Lockerungen ermöglichen. Da Sie traditionell schnell auf Marktentwicklungen reagieren, nehme ich an, dass Sie auch schon solche Tests im Portfolio haben.

Dr. Richard Ammer: Wir haben seit letztem Herbst ein ganzes Sortiment von Schnelltests im Programm. Zum einen – wie auch schon von Ihnen berichtet – haben wir die Tests für medizinisches Fachpersonal, vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Paul-Ehrlich Institut gelistet und vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit getestet, damit wir von neutraler Stelle die Qualität validieren lassen. Und auch für den Laien halten wir inzwischen zwei durchgetestete Lösungen bereit. Zum einen über einen Nasenabstrich und zum anderen per Speicheltest.

Das heißt, Sie sind für den öffentlichen Teststart bestens gerüstet?

Sagen wir mal so: theoretisch „ja“. Wir könnten ab sofort mit rund zwei Millionen Tests pro Woche zur Versorgung beitragen. Allerdings fragen wir uns, warum unser am 21. Januar beim BfArM eingereichter Antrag immer noch in der Bearbeitung ist. Eigentlich haben wir das für eine Formsache gehalten, denn unsere Laientests sind wie die Schnelltests, nur eben für den einfacheren Nasenabstrich, und erfüllen alle Kriterien, die das Paul-Ehrlich-Institut vorschreibt und fordert. Ergänzend muss nur die einfache Handhabung und Verständlichkeit der Gebrauchsinformation von Instituten mit Probanden überprüft werden. Gut ist die Sonderzulassung, weil die Zertifizierungsstellen mit zwölf Monaten Wartezeit überlastet sind, aber auch beim BfArM warten wir bis heute auf Antwort.

Geht denn das nur Ihnen so oder kennen Sie ähnliche Fälle?

Ob noch jemand betroffen ist, weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass unser Wettbewerber Technomed, ein mit Risikokapital finanziertes Unternehmen mit Sitz in Graz und einem steuersparenden Einkauf über Dubai bereits eine deutsche Sonderzulassung erhalten hat. Und es verwundert mich, dass man die Bevölkerung vor ein paar Monaten nicht für fähig hielt, Schnelltests selbst anwenden zu können, sondern nur das medizinische Fachpersonal, und daher ein Verkauf in der Apotheke nicht gewollt war – während nun plötzlich Selbsttests im Supermarkt erhältlich sind. Da wäre doch ein Verkauf in der Apotheke mit fachlicher Beratung zur richtigen Anwendung des Tests der erste und vernünftigere Schritt gewesen.

Welche Rolle spielt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bei der Zulassung?

Für die Sonderzulassungen ist das untergeordnete Bundesamt (BfArM) zuständig. Das Bundesministerium hat sich aber wohl die Beschaffung der Schnelltests zur Aufgabe gesetzt, die Bundesländer sollen dann die Verteilung organisieren. Zum einen hört man, dass jetzt vom BMG eine Task Force eingesetzt werden soll, was mich wundert, warum jetzt erst und nicht schon vor einem halben Jahr. Wir bei Medice hatten uns die Lager im November vollgeknallt, weil wir dachten, dass es vor Weihnachten sinnvoll sein müsste, mit Schnelltests und Laientests die Besuche bei Verwandten und Großeltern sicherer zu machen. Auch um Schulen, Einzelhandel, Gastronomie/Hotellerie wieder öffnen zu können. Zum anderen habe ich jetzt erst vor wenigen Tagen zufällig erfahren, dass das BMG bereits im Januar ein Memorandum of Understanding mit einer Handvoll Herstellern getroffen hat: Darin wurde vereinbart, bis Juni bis zu mehrere hundert Millionen Schnelltests zu liefern. Die 100 Firmen, die bereits zu diesem Zeitpunkt beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gelistet waren, wurden allerdings nicht informiert. Warum dann nur zehn als Vertragspartner des BMG in diesem Memorandum aufgeführt sind, ist mir schleierhaft, führt es doch zu einer politisch sicher nicht gewollten Verengung des Angebots und entspricht nicht dem Transparenzgebot in einem Rechtsstaat. Wie gesagt, wir bei Medice hatten im Januar schon alle PEI-Kriterien erfüllt und waren lieferfähig.

War Technomed da auch bereits wieder mit im Boot?

Natürlich!

Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ihre auch?

Natürlich haben wir noch Hoffnung, dass es in absehbarer Zeit nach holprigem Start doch noch zu fairen Entscheidungen kommt. Wir bemühen uns mit höflichen Anfragen beim BfArM und BMG, hoffentlich zeitnah auch berücksichtigt zu werden.


Reunert, T. (2021, März 09). „Corona: Eine Verengung des Angebotes?“. Abgerufen am 9. März 2021, von https://www.ikz-online.de/staedte/iserlohn/corona-gibt-es-eine-verengung-des-test-angebotes-id231744561.html