Vom Arzneimittel zu multimodalen Gesundheitslösungen

05.12.2024

Für die MEDICE gab es in diesem Jahr Grund zu feiern. Zum 75. Mal jährte sich 2024 das Datum der Unternehmensgründung. Geführt wird das Familienunternehmen mittlerweile in der dritten Generation - und die blickt liebevoll auf ihre Wurzeln zurück. "Unsere Herkunft bestimmt unser Sein und verleiht uns die Stabilität für die Gestaltung der Zukunft", erklärt Dr. med. Katja Pütter-Ammer, geschäftsführende Gesellschafterin der MEDICE. Für diese Zukunft hat sie genaue Vorstellungen, wie sie im Gespräch mit der DAZ deutlich macht. Gemeinsam mit ihrem Mann, Dr. med. Dr. oec. Richard Ammer, entwickelt sie die MEDICE vom reinen Arzneimittel‐ hersteller hin zum Anbieter multimodaler Gesundheitslösungen.

75 Jahre ist es her, dass Gustav Pütter den Grundstein der heutigen MEDICE legte. Der Heilpraktiker entwickelte unter anderem den nach ihm benannten und noch heute marktgängigen Pütter-Verband und begann mit der Herstellung von Arzneimitteln auf pflanzlicher Basis, wie dem Erkältungspräparat Meditonsin, das sich ebenfalls bis heute bewährt hat.

Der Weg hin zu einem modernen Gesundheitsunternehmen

Nach dem plötzlichen Tod von Gustav Pütter übernahm im Jahr 1977 sein Sohn, Dr. med. Sigurd Pütter, das Firmenruder. Der Arzt transformierte die MEDICE hin zu einem modernen Pharmaunternehmen. Unter seiner Regie wurde mit der Entwicklung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wie Medikinet (Methylphenidat) zur Therapie von Aufmerk‐ samkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) begonnen. Im Jahr 2002 traten Sigurd Pütters Toch‐ ter Katja und kurz darauf ihr Mann Richard Ammer, beide ebenfalls Mediziner, in das Unternehmen ein. Anfangs noch gemeinsam mit Sigurd Pütter entwickelten sie die MEDICE zum führenden Anbieter im Bereich der medikamentösen Behandlung von ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Europa - die meisten Patienten in diesem Indikationsgebiet werden heute mit Arzneimitteln aus Iserlohn behandelt. Katja Pütter-Ammer erzählt diesen Teil der Firmengeschichte folgendermaßen: "Mein Vater glaubte an die evidenzbasierte Medizin, wis‐ senschaftlicher Fortschritt hat ihn angetrieben. Er war zudem ein Kümmerer. Ihm war wichtig zu schauen, wo werden wir gebraucht, wo können wir als Arzneimittelhersteller einen Beitrag leisten. Als das Thema ADHS aufkam, sagten ihm Kinderärzte, dass sie Unterstützung bei der Behandlung bräuchten. So begann er mit der Entwicklung von Mediki‐ net - trotz Widerstand in seinem Umfeld, denn nicht alle waren Fans von der Idee. Mein Mann und ich kamen kurz darauf dazu und wir haben das dann zusammen groß gemacht". Die Arbeit mit ihrem Vater beschreibt Katja Pütter-Ammer als unkompliziert und bereichernd: "Ich muss sagen, wir hatten nicht einen einzigen Konflikt, wie das in so vielen Famili‐ enunternehmen ist. Wir haben uns sehr gut verstanden und das hat dem Unternehmen aus meiner Sicht auch sehr viel Kraft gegeben".

MEDICE wird zur Health Family

Die Frage "wo können wir als Arzneimittelhersteller einen Beitrag leisten", die Sigurd Pütters Handeln bestimmte, treibt auch Katja Pütter-Ammer und Richard Ammer an. "Aus diesem Auftrag, der ja nun eigentlich auch schon 50 Jahre alt ist, haben wir den umfassenden Gesundheitsbegriff, für den die MEDICE Health Family steht, abgeleitet", erklären sie. Wofür steht der Begriff, der Anfang 2022 erstmals prä‐ sentiert wurde? Ziel der MEDICE ist es, führender Entwickler und Anbieter von vielfältigen Gesundheitslösungen zu werden. Arzneimittel werden dabei mit Entwicklungen aus den Bereichen digitale Gesundheit und Ernährungskonzepte zu einem umfassenden Präventions- und Therapiemanagement verwoben. "Natürlich steht im Mittelpunkt unsere pharmazeutische Kompetenz, gut erforschte und evidenzbasierte Arzneimittel. Aber es ist nicht mehr nur das Arzneimittel, es ist mehr", sagt Katja Pütter-Ammer. "Wir gehen ganz neue Wege in Richtung multimodaler Therapien".

Sichtbares Zeichen der MEDICE Health Family ist das neue Erscheinungsbild der Marke. Ganz wesentlich dabei war Katja Pütter-Ammer zufolge, die familiäre Komponente herauszustellen. Aber auch die Dimensionen der Wissenschaftlichkeit, Evidenz und Nachhaltigkeit sollten im neuen Logo durch das Zusammenspiel zweier Formen und Farben abgebildet sein. Die Formen, ein Kreis und ein stilisiertes Blatt, wurden aus dem bestehenden Logo grafisch separiert und neu arrangiert. "Damit baut das Neue auf dem Bisherigen auf ‒ traditionswahrend und auf die Zukunft ausgerichtet", so Katja Pütter-Ammer.

Wie sehen multimodale Gesundheitslösungen aus?

Ein Beispiel für die Ausrichtung hin zur multimodalen Therapie ist Richard Ammer zufolge die Verknüpfung der pharmakologischen ADHS-Therapie mit digitalen Lösungen wie der digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) hiToco®, entwickelt von dem Health Family Mitglied Medigital GmbH. Dabei handelt es sich um ein Elterntrainingsprogramm, das aus fünf aufeinander aufbauenden Modulen mit unterschiedlichen Kapiteln besteht. Eltern und andere Sorgeberechtigte erhalten dabei Hintergrundinformationen zu ADHS und lernen, ihr Erziehungsverhalten gemeinsam mit dem Kind auf interaktive Weise anzupassen. Das Programm beginnt mit der Auseinandersetzung mit den eigenen Herausforderungen und dem Stresslevel der Eltern, betrachtet dann die Beziehungen innerhalb der Familie mit besonderen Fokus auf die Stärkung der Beziehungen zum Kind und befasst sich schließlich spezifisch mit den individuellen Verhaltensproblemen des Kindes. "Wir machen den Führerschein, aber wie Kindererziehung funktioniert, bekommen wir meistens nicht beigebracht. Bei verhaltensauffälligen Kindern braucht man zudem vielleicht ein paar Fahrstunden mehr. Es gibt dafür Manuale, die sind auch evidenzbasiert, sich hier alleine einzulesen, ist für Eltern aber schwierig. Der Psychotherapeut kann versuchen, sie anzulernen, geübt werden muss aber auch und vor allem zwischen den Sitzungen. Mit hiToco® haben Eltern nun eine gute Möglichkeit zu üben und zu lernen, mit den Verhaltensstörungen des Kindes besser umzugehen", erklärt Richard Ammer den Wert von hiToco®. Entwickelt wurde die digitale Gesundheitsanwendung unter der wissenschaftli‐ chen Leitung von Prof. Dr. Anja Görtz-Dorten und Prof. Dr. Manfred Döpfner am Zentrum für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie an der Universitätsklinik Köln. hiToco® wurde mittlerweile in Studien geprüft und soll nun im DiGA-Verzeichnis aufgenommen werden. In absehbarer Zeit kann hiToco® damit auch auf Rezept verordnet werden. Selbstzahler können das Programm bereits jetzt nutzen.

In der Entwicklung befindet sich zudem ein auf ADHS-Patienten ausgerichtetes Ernährungskonzept. Richard Ammer dazu: "Was bzw. wie wir essen, kann sich auf unsere körperliche und geistige Entwicklung auswirken. Dabei ist insbesondere ein abwechslungsreiches Frühstück für Kinder wichtig, damit ihrem Körper die benötigten Nährstoffe für ei‐ ne gesunde Entwicklung zur Verfügung stehen". Geplant ist im Rahmen dieses Konzeptes daher unter anderem auch die Entwicklung eines gesunden Frühstücksprodukts. "Es ist uns ganz wichtig, hier etwas anzubieten, da viele dieser Kinder ohne Frühstück aus dem Haus gehen", ergänzt Katja Pütter-Ammer die Erklärungen ihres Mannes.

Die Darmgesundheit im Fokus

Auch abseits von ADHS wird bei der MEDICE Health Family an Ernährungskonzepten gearbeitet. Im Fokus eines bislang über die MEDICE-Tochterfirma Theralution angebotenen Konzeptes, das Ballast‐ stoffe, Milchsäure-bildende Bakterienkulturen, Aloe Vera Saft und ein Fermentat umfasst, steht die Darmgesundheit. "Der Sinn des Konzeptes ist, dass Patienten, sowohl Reizdarmpatienten als auch sol‐ che mit Lebensmittelunverträglichkeiten, für die es im Moment keine richtige Lösung gibt, wieder ein normales Leben führen können", erklärt Dr. rer. nat. Uwe Baumann, Geschäftsführer bei der MEDICE Health Family und verantwortlich für den Bereich Primary & Consumer Care (PCC). "Wir glauben, dass eine ballaststoffarme Ernährung eine große Gefahr in sich birgt. Daher sieht das Konzept die vorsichtige und einschleichende Gabe von Ballaststoffen vor", betont er. Herzstück des Konzeptes ist allerdings das Fermentat, das aus Früchten und Gemüse gewonnen wird. Durch die Fermentation werden einerseits Reizstoffe wie Lektine, Lactose und Gluten entfernt, andererseits jedoch für die Darmgesundheit wichtige Inhaltsstoffe bereitgestellt. Baumann zufolge sind dies insbesondere biogene Amine, die reparierend in den Zellstoffwechsel eingreifen, sowie kurzkettige Fettsäuren wie Propionat. Propionat wird im Darm in Butyrat umgewandelt. "Es gibt Studien, die zeigen, dass dieses Butyrat dann auch sehr stark zur Zellregeneration und Entzündungshemmung fast schlagartig beitragen kann", so Uwe Baumann. Aktuell befindet sich das Ernährungskonzept noch in der Erprobungsphase mit Arztpraxen. Künftig soll es jedoch auch über die Apotheke vertrieben werden - und weitere Konzepte für unterschiedliche Bedürfnisse sollen folgen.

Drei E für sustainable4U

Ein Aspekt, auf den die MEDICE Health Family bei al‐ len Überlegungen hinsichtlich der Unternehmensausrichtung und der Weiterentwicklung großen Wert legt, ist Verantwortung für Mensch und Umwelt. MEDICE hat hierfür eine Tochterfirma gegründet: die sustainable4U GmbH. Sie unterstützt die MEDICE Health Family mit langfristig angelegten Projekten bei der Transformation vom Arzneimittelhersteller hin zu einem auf Nachhaltigkeit ausgerichteten, breit agierenden Gesundheitsunternehmen "Wir sagen immer, wir arbeiten hier mit den Ebenen der drei E''s - Entstehen, Entwickeln und Erhalten", beschreibt Katja Pütter-Ammer die Tätigkeit der sustainable4U GmbH. Bezüglich der Entstehen-Ebene gehe es um das Kümmern um Naturräume. "Wir haben hier am Standort auch einen großen Garten, den Health Family Garten, wo wir Bienen halten und Blühwiesen gesät haben", erzählt Katja Pütter-Ammer. Auch verfügt das Unternehmen über einen eigenen Gemüsegarten zur Versorgung der Mitarbeiter nach einem saisonalen und regionalen Konzept. Für die zweite Ebene, die Entwickeln-Ebene, konzipiert die sustainable4U GmbH unter anderem nachhaltige Werbemittel. "Wir gehen nicht mehr mit Kugelschreibern aus China zu unseren Partnern im Gesundheitswesen, sondern wollen langfristig nur noch nachhaltige Produkte anbieten", betont Uwe Baumann. Bei‐ spielsweise würden als Werbemittel kleine Gläser mit Honig in der Apotheke oder beim Arzt als Werbemittel verteilt - der Honig stammt anteilig von den eigenen Bienenvölkern. "Wir haben hier im Unternehmen ein Scoring-Modell, das jedes einzelne Werbemittel, das rausgeht, nach Nachhaltigkeitskriterien bewertet. Nichts, das einen gewissen Score unterschreitet, darf rausgehen", ergänzt Katja Pütter-Ammer. Auf der Erhalten-Ebene schließlich entwickelt die sustainable4U Konzepte, um die Ressourcen zu erhalten. Mithilfe des Unternehmens Green Guides wird mit der Optimierung von Prozessen in Großküchen der Lebensmittelverschwendung entgegengewirkt und Ressourcen geschont.

Gut aufgestellt für die Zukunft

Die Versorgungssicherheit ist für Apotheken angesichts des wachsenden Problems von Lieferengpässen zunehmend wichtig. MEDICE stellt Arzneimittel in Deutschland an den Unternehmensstandorten in Iserlohn und Ringelheim (Schaper & Brümmer) her. "Wir bekennen uns klar zum Standort Deutschland und tragen so verlässlich zur Sicherung der Arzneimittelversorgung bei", so Richard Ammer. Und auch gesellschaftlich engagiert sich das Unter‐ nehmen. "Wachsende ökologische Probleme, soziale Belastungssituationen wie Stress oder Vereinsamung oder falsche Ernährung und Bewegungsarmut sind oft Auslöser von schweren Krankheiten. Es herrscht dringender Handlungsbedarf auf allen Ebenen", betont er. Die MEDICE Health Family konzentriert sich daher auf Projekte, die gezielt diesen Mängeln und damit der Entstehung von gesundheitlichen Folgeproblemen entgegenwirken. Das Motto hinter dem Engagement lautet "Zusammen für eine gesündere Welt". Dafür steht die MEDICE Health Family und sieht sich damit auch gut aufgestellt für die Zukunft des Unternehmens.


Quelle des Artikels:

Deutsche Apotheker Zeitung (DAZ) / Dr. Beatrice Rall / 05.12.2024